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[   Band 6 Brief 151:    Humboldt an Caroline    Aachen, 27. November 1818   ]


eines Staats kann nicht durchaus anders regiert werden als der
ganze Staat. Ich hielte auch jetzt eine solche Absonderung, die
anfangs sehr gut gewesen wäre, für verderblich in sich. Und solltest
Du glauben, wen man eigentlich fürchtet? Gar nicht eben große
Opposition vieler Mitglieder des Staatsrats, nein, ein Paar unzu-
friedene und mit Recht unzufriedene Räte, die Du leicht erraten wirst.
Im Privatleben ist Bernstorff ganz und durchaus der alte.
Ich war neulich einen Abend mit ihm bei Gentz zusammen, wo
wir sehr viel von unserm jugendlichen Zusammenleben in Berlin
sprachen, auch von dem Abend, wo ich Berlin zu unserer Hochzeit
verließ, und Bernstorff und Gentz mit anderen mich bis Schöne-
berg begleiteten. Er sagte da mit einer Naivität, die die Über-
zeugung der Wahrheit gab, daß niemand ihm je so imponiert habe
und noch so imponiere, als ich.


152. Caroline an Humboldt                       Rom, 28. November 1818

Endlich, geliebtestes, teuerstes Herz, habe ich vorgestern
Deinen lieben Brief vom 4. und 5. d. M. aus Aachen
bekommen. Ich kann Dir gar meine Freude nicht aus-
drücken, denn ohne Deine Briefe komme ich mir ganz verwaist und
verlassen vor. Ach, wäre ich doch bei Dir, hätte ich doch abreisen
können!
Ich habe Deinen Brief mit großem Interesse gelesen, wie Du
denken kannst. So lange ich nicht abnehme, daß der Bewußte
Dich gern in der natürlichen Funktion sieht, die Dir bliebe, wenn
Du Deinen jetzigen Posten niederlegst, so kann ich ihm alle seine
Offerten nicht glauben. Ich sehe sie durchaus als leere Vorspiege-

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