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[   Band 6 Brief 185:    Humboldt an Caroline    Frankfurt, 1. März 1819   ]


recht viel über sich haben, und Du hast eine sehr große, aber es
muß die Herrschaft einer reichen Natur, nicht der Anstrengung
und Übung sein. 
Nun lebe wohl, süßes, innigstgeliebtes Herz. Doch noch
eins. Erinnerst Du Dich aus Sigwart des wunderhübschen Liedes:
        Es war einmal ein Gärtner, der sang ein traurig Lied usf.
Wo mag das her sein? Vom Verfasser wohl nicht. Alle anderen
Gedichte in dem Roman sind sehr matt. Dies aber hat eine rührende
Einfalt. Die Strophe fällt mir, seit ich sie wieder kenne, so oft ein:
        Es freut mich keine Blume,
        Weil Du die schönste bist.
        Ach könnt ich Deiner warten,
        Ich ließe meinen Garten
        Sogleich zu dieser Frist.
Ich, liebe süße Li, ich verließe alles, wenn ich Deiner warten
könnte und nichts tun als das. Wiederkommen wirst Du nun
gewiß, wir werden beisammen, auch viel beisammen sein, aber es
ist doch ein gestörtes Leben, wenn man an so viel andere Dinge
zugleich denken muß. Hübscher wäre es im Grunde gewesen, wenn
ich ausgeschlagen hätte. So ist der Mensch, immer geteilt und
gehört nichts ganz an. Lebe wohl! Ewig Dein.


186. Caroline an Humboldt                    Rom, 6. März 1819

Ich habe Deinen Brief vom 12. Februar richtig erhalten,
geliebtes Herz. Wie tief gerührt bin ich, daß Du Dir
die Mühe gibst, so umständlich lange Briefe selbst abzu-
schreiben. Wie kommt’s, daß Du Zeit zu allem hast? Dein
Brief ist so gehaltvoll, so vortrefflich, wie nur Du ihn schreiben
kannst, Du konntest nicht anders, ob er aber die Wirkung hervor-
bringen wird, die die rechte wäre, ist mir zweifelhaft. Es ist ein

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