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[   Band 6 Brief 203:    Caroline an Humboldt     Florenz, 14. Mai 1819   ]


mit ihm. Entweder muß er doch verrückt gewesen sein, Kotzebuen
diese Wichtigkeit beizulegen, oder bei sehr viel Liebe und Innig-
keit des Charakters viel Beschränktheit gehabt haben. Die Men-
schen, die sich einem gewissen Tode weihen, um eine Idee, eine
Überzeugung durchzuführen, interessieren einen um so mehr, da sie
immer selten sind. Eine schreckliche Empfindung, einen furchtbaren
Schmerz denke ich mir in Sands Mutter. Sie muß den Tod des
eigenen Sohnes wünschen, um ihn nicht auf dem Schafott sterben
zu sehen! Das ist doch gräßlich.
Lebe wohl, meine süße Seele!


204. Humboldt an Caroline                    Frankfurt, 17. Mai 1819

Ich schreibe Dir heute, liebe Li, an Adelheids Geburtstag,
und gestern war der Carolinens. Ich habe dem lieben
Kinde einige Zeilen geschrieben, die ich hier beilege. . . .
Jetzt erwarte ich mit der lebhaftesten Ungeduld Deinen Brief
aus Perugia. Die gute Gabriele schreibt sehr lieb und geduldig
über die längere Trennung [von Bülow]. Es ist mir sehr merk-
würdig gewesen, wie sie hübsch schreibt (unter uns beiden gesagt),
viel besser als ihre Schwestern. Sie hat etwas viel Ausgebildeteres
in ihrer Art sich auszudrücken, und immer Geist und Lebendigkeit. Es ist
ein wunderhübsches und liebenswürdiges Wesen in allem. Ich müßte
mich sehr irren, wenn sie nicht überhaupt, ob ich gleich nicht finden kann,
daß sie Dir im Gesicht gleich sieht, am meisten im Inneren von Dir hätte.
Unser Burgörnerscher Nachbar *) war immer ein höchst leerer,
flacher, in allem Wesentlichen und Besseren unbedeutender Mensch.
Was Du darüber sagst, daß solche Menschen gerade dieselben

———
*) Graf v. der Schulenburg-Klosterrode.

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