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[   Band 6 Brief 239:    Humboldt an Caroline    Berlin, 5. September 1819   ]


239. Humboldt an Caroline                 Berlin, 5. September 1819

Heute bist Du auf der Rückreise von Cöln und bleibst ver-
mutlich die Nacht in Bonn. Hier ist das Wetter sehr
schön. Wenn es dort auch so ist, so muß der Rhein Dir
viel Freude machen. Er ist doch der himmlischste unter den Flüssen.
Das ist wirklich groß und bewunderungswürdig in der Natur, daß
sie unter allen Gegenständen so einen oder ein paar als unter allen
seiner Art sich hervorhebend gestempelt hat. Auch bin ich sehr
der Meinung, daß alle ursprünglichen Schöpfungen die edlen und
erhabenen gewesen sind und daß die Häßlichkeit nur später als
Entartung in die Menschheit gekommen ist. Die häßlichen Menschen-
rassen in Afrika, von denen man noch neulich bei Gelegenheit der
Zergliederung der Venus Hottentotte gefunden hat, daß sie im
Knochenbau bestimmte Ähnlichkeiten mit den Affen haben, sind
gewiß nur unglückliche lokale Ausartungen, eine Art von Miß-
geburten, die sich stammweise fortpflanzen.

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Ich war gestern bei Hermann *), liebe Li. Ich glaube, daß ich
Dir schrieb, daß mich der Kanzler eingeladen hatte, bei ihm in
Glienicke zu essen. So sehr es mich geniert, einen halben Tag ab-
wesend zu sein, so hielt ich es doch nicht für gut, mich auf eine
Art von ihm abzusondern, die beinahe hätte feindselig aussehen
können. Für die Geschäfte weiß ich zwar wohl, daß solche Zu-
sammenkünfte wenig helfen, und fand es auch gestern bestätigt.
Gneisenau, Zichy **) und Reventlow, der dänische Gesandte, waren da.
Der alte Blücher ist sehr krank, und wenn er nicht eine Natur
hätte, von der man immer voraussehen kann, daß sie alles nur
Denkbare aushält, so könnte man seinen Tod als gewiß annehmen.

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*) Vgl. S. 51.
**) Österreichischer Gesandter.

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