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[   Band 7 Brief 9:    Humboldt an Caroline    Tegel, 2. Junius 1820   ]


Dienstag besuchte mich Rother *) nach Tisch auf eine Stunde, um
mit mir über die Dotation zu reden. Er reist in diesen Tagen auf zwei
Wochen nach Schlesien und hat mir versprochen, den Bericht wegen
meiner Sache noch vor seiner Abreise zu machen. Da aber der
König gestern oder heute nach Pommern abgegangen ist, so hätte
man ihm nur den Bericht nachschicken können, und Rother schlug
mir daher vor, ob ich nicht lieber wollte, daß der Kanzler sie dem
König selbst vortrüge, wo sie dann aber freilich bis nach seiner
Zurückkunft liegen bleiben muß, die, glaube ich, den 14. erfolgt.
Dies bin ich eingegangen. Es ist mir allerdings unangenehm, da
es meine Reise verspätet, aber man kann diese Sache, die wirklich
recht schlimm stand und in meiner jetzigen Lage überhaupt doppelt
kritisch war, nicht behutsam genug führen. Rother hat mir übrigens
gesagt, daß die Gesundheit des Kanzlers für den Augenblick besser
sei. Er hat Vortrag beim König gehabt und geht aus. Allein
im ganzen, meint Rother, habe ihm doch dieser letzte Anfall einen
Stoß beigebracht, den er nicht leicht verwinden werde. Man merke
zu sehr den Einfluß davon auf seine Kräfte und seine Stimmung.
Ebenso lauten alle Nachrichten über ihn. Ich habe ihm zu seinem
Geburtstag, zu dem Rother von hier hinfuhr, durch ihn Glück
wünschen lassen. Er mag, wenn Rother es ihm sagt, leicht glauben,
daß es nicht aufrichtig gemeint sei. Er irrt aber alsdann sehr. Ich
weiß nicht, aber ich habe, und nicht jetzt bloß, schon weit früher,
eine eigene Furcht vor dem Tode des Kanzlers, und es möchte
wenige geben, die, wenn ich es noch erlebe, die Nachricht mehr
und ernstlicher ergriffe.
Bei Adelheid fällt mir noch etwas sehr Hübsches ein. Neulich
kam Kunth **) mit seinen beiden Knaben unangemeldet und erst

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*) Christian v. Rother, geb. 1778, † 1849. 1836——1848 Finanzminister.
**) Gottl. Joh. Christ. Kunth, geb. 1757, † 1829. Staatsrat. Erster Er-
zieher der Humboldtschen Brüder.

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