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[   Band 7 Brief 28:    Humboldt an Caroline    Ottmachau, 20. Julius 1820   ]


zu empfehlen. Und von allen Seiten werde ich bewillkommt und
beehrt. Die Leute sind hier viel höflicher und sogar untertäniger.
Kaum betritt man hier einen Stall, so kommen die Knechte und
Mägde hinter den Kühen und Pferden hervor und bezeugen ihre
Ehrfurcht, und es ist darin eine zarte Nuance. Die Knechte küssen
immer den Rock oder den Ärmel. Die Damen bücken sich nicht so
tief, sondern lassen es bei der Hand bewenden. 
Ich bin seit gestern abend hier, liebste Li. In 3 vollen Tagen
macht man die Reise, ohne Nachtfahren. Ich habe nun schon
im eigenen Hause geschlafen, und das eigene Bett wird ja auch
nachkommen. Von der Art, wie wir hier wohnen können, bin ich
sehr erbaut und hatte eine ganz falsche Idee davon. Es gibt zwei
sogenannte Schlösser, ein oberes und ein unteres. Durch das Tor
des unteren geht der Weg nach dem oberen über eine Brücke, die
über dem Schloßgraben ist. Im unteren wohne ich. Ich kann
es von künftigem Frühjahr an ganz haben. Es hat ein rez-de-
chaussée und einen Stock darüber, ist ganz massiv von dicken
Mauern, mit doppelten großen Fenstern und sehr großen und
hohen Stuben. Aber es ist klein . . . Für das Ameublement
werde ich nun gleich vorläufige Abrede treffen mit dem Amtmann.
Das obere Schloß ist auch gar nicht so unbewohnbar. Ein
Invalidenmajor Biberstein mit seiner Familie wohnt jetzt darin,
außerdem sind drei Kranke darin, einer war vorgestern gestorben,
und die Beletage ist ganz leer. Einige Piecen sind auch gedielt,
andere freilich mit Steinen. Fürs erste tue ich da nur das Not-
wendige zur Erhaltung. Wir haben Platz genug im unteren
Schloß. Vom oberen kann keine menschliche Zunge einen Begriff
geben, man muß es sehen. Es hat unregelmäßige Abteilungen,
die Haupttreppe ist bis ins erste Stockwerk, aber in einem recht
hübschen Treppenhause von außen angeklebt, das Ganze macht
sich aber altertümlich, und man müßte es ja nicht ganz ändern,

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