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[   Band 7 Brief 36:    Humboldt an Caroline    Tegel, 8. Dezember 1820   ]


Kind, und ich werde nicht mager zurückkommen. Dabei arbeite ich,
aber nicht außerordentlich viel, da ich viel draußen bin.
      Jetzt lebe herzlich wohl, teure Seele.
      Heute war der seligen Mama ihr Geburtstag.


37. Humboldt an Caroline              Tegel, 10. Dezember 1820

Tausend Dank, liebste Li, für Deine lieben Zeilen und alles
was Du mir schreibst. Ich lebe mein stilles Leben fort.
Das Wetter ist wie im Herbst. Ich habe gestern einen
großen Teil des kurzen Tages draußen zugebracht in ganz einsamen
Teilen des Waldes. Das grüne Moos, das herbstliche Rauschen
der Bäume, alles ist sehr hübsch und würde Dich auch anziehen,
süßes Kind, wenn Du hier wärst und stark genug, um mit herum-
zugehen. Das Herumgehen ist übrigens nicht unnütz. Es ver-
scheucht die Diebe, die nach Holz kommen.
Ich beschäftige mich hier mit dem Lesen der Stücke der alten
Schriftsteller über Spanien, um noch eine Nachlese von Notizen
zu meiner eben vollendeten Arbeit zu machen. Ich lebe also mitten
in alter Geschichte, und gerade hier, wo sie mich als Knaben zu-
erst anzog und meinem Leben die innere Richtung gab. Diese
Richtung hat gemacht, daß ich in meinem ganzen Leben, auch
wenn ich mich noch so tätig mit der Wirklichkeit beschäftigen
mußte, doch immer sehr außer ihr lebte. Das ruhige Wiederlesen
dieser Dinge, die man alle schon kennt, die alle schon so oft ihre
Wirkung auf das Gemüt gemacht haben, in dieser Einsamkeit, wo
sie sich ganz des Gemüts bemächtigen, hat einen wunderbaren Reiz.
Die Stille ist wirklich absolut hier. Nur einmal erst habe ich
ein Posthorn gehört.
Daß du wohl scheinst, teures Wesen, freut mich unendlich.

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