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[   Band 7 Brief 75:    Humboldt an Caroline    Breslau, 27. Julius 1823   ]


75. Humboldt an Caroline                    Breslau, 27. Julius 1823

Ich schrieb Dir heut früh einige Zeilen aus Ottmachau, um
Dir Mathildens Entbindung von einem Sohn zu schrei-
ben, weil man sich auf Theodors verwirrte Anstalten im
Briefschreiben nicht immer verlassen kann. Ich höre aber hier,
daß er Dir schon Nachricht gegeben hat. Ich bin seit heute nach
6 Uhr hier. Ich fuhr nach 8 früh aus und hielt mich meiner Ge-
wohnheit nach gar nicht unterwegs auf, und als ich eben eine
kleine halbe Meile von der Stadt entfernt war, kam mir Theodor
entgegengeritten. Er sah sehr glücklich über das häusliche Ereignis
aus, schien sehr erfreut über meine Ankunft und ritt dann wieder
voraus, um Mathilden zu sagen, daß ich käme. Diese habe ich
wirklich ungemein wohl gefunden. Zu Füßen ihres Bettes steht
die Wiege. Der kleine Junge ist eher groß als klein. Er soll
dunkelblaue Augen haben, was ich aber nicht selbst gesehn habe,
da er bis es dunkel wurde schlief. Seine Züge sind recht hübsch,
der Mund besonders ist sehr klein, die Hände sind groß. Ma-
thilde klagt jetzt über gar nichts. Sie spricht ebenso munter und
lebendig als in Ottmachau, und man muß sie nur abhalten, nicht
zu viel zu reden.
Von Theodors Geschichte habe ich natürlich noch gar nicht
mit ihm gesprochen. Ich kann nicht anders sagen, als daß er sehr
gut und aufmerksam um mich und sehr liebevoll beschäftigt mit
Mathilden ist. Ich wohne in der eigentlichen Eßstube und schreibe
an Theodors Schreibtisch.
Mathilde und Theodor wünschen sehr, daß ich zur Taufe
bleiben möchte. Sie wissen sonst gar kein männliches Wesen zum
anwesenden Paten. Dabei wünschen sie die Taufe am 6. August.
Adelchen soll den 5. herkommen. Ich habe also ausgemacht, daß
ich Mittwoch, den 30., von hier nach Herrnstadt gehe, den 5. mit

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