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[   Band 7 Brief 152:    Humboldt an Caroline    Jena, 19. Dezember 1826   ]


prinzen schreibst, ist unendlich zart und schön, sieht ihm aber ganz
gleich. Er hat unendlich viel Herz und Gemüt. Man weiß hier
noch nicht, ob er hierherkommen wird, und scheint in Weimar
daran zu zweifeln. Die Verlobung soll immer noch am 25. sein.
Ich denke Sonnabend früh, den 23., von hier abzureisen. Es
hätte mich zwar mehr arrangiert, erst nach Rudolstadt zu gehen.
Man könnte aber, wenn ich so nah wäre und bei der Gratulationscour
fehlte, darin eine Affektation sehen, und darum will ich es nicht
tun. Es scheint mir natürlicher, da ich einmal hier bin, in Weimar
die Höflichkeit zu beweisen, es ist mir aber auch nicht unlieb, Ver-
anlassung gefunden zu haben, erst kurz vor der Verlobung herzu-
kommen, weil man sonst wieder darin etwas hätte sehen können.
Man ist bei den natürlichsten Dingen nie vor Verdrehungen
sicher.
Daß ich hier länger bleibe, verzeihst Du mir gewiß, liebe
Seele. Carolinen macht es sehr viel Freude, und auch ich bin
gern mit ihr. Sie ist, ungeachtet ihres Schmerzes, doch wieder
heiter, lebendig von allem Interessanten bewegt, und wirklich zu-
gleich in der Vergangenheit und Gegenwart lebend. Ich gehe
gegen die Zeit des Mittagessens, hier schon 1 Uhr, wie wir sonst
auch aßen, zu ihr und bleibe dann bis 10 den Abend. Die Vor-
mittage brauche ich für mich. Gestern aß ich bei dem Präsidenten
Motz, der die vorzüglichsten Professoren gebeten hatte. Es war
mir lieb, so viele auf einmal kennen zu lernen. Den Vormittag
hatte ich ganz zu Hause zugebracht und die Abschrift der Gramma-
tiken, von denen ich Dir schrieb, verglichen. Den Abend kam der
Buchhändler Frommann mit seiner Familie zu Carolinen. Ich
habe ihn schon, als ich Kind war, gekannt.
Alexander hat viel Glückliche gemacht hier, aber auch einen
Unglücklichen, einen Botaniker Voigt, den er nicht besucht hat,
obgleich er ihn kennt. Er soll nicht gewußt haben, daß er hier

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