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[ Band 7 Brief 155: Caroline an Humboldt Berlin, 23. Dezember 1826 ]
In einer schlaflosen Nacht im Juni.
Wie von einem Netz umwunden
Haben Schmerzen mich gebunden,
Jedes Regen ist ein Weh.
Doch im Herzen selig Hoffen,
Denn mich hat ein Strahl getroffen
Aus der wolkenlosen Höh.
Hat mich sanft hinaufgezogen,
Wo der Schmerzen endlos Wogen
Bricht an schönren Ufers Rand.
Zwar zu Staube sinkt die Hülle,
Doch zur Klarheit und zur Fülle
Leitet ewger Liebe Hand.
Dich empfind’ ich, heilig Wesen!
Laß die Seele nur genesen
Von des Lebens Trug und Schein.
Nimm, o ewiges Erbarmen,
Nimm mich auf in Vaterarmen,
Laß die Liebe Sühne sein.
Ich bin durch mehrere Besuche gestört worden. Unter anderen
Varnhagen, der mir seine Biographie Blüchers für Dich gebracht
hat, von der man sehr viel Gutes sagt. Adieu, Lieber, komm
bald zurück. Soireen gebe ich nicht ohne Dich. Es hat keinen Schick.
156. Humboldt an Caroline Weimar, 23. Dezember 1826
Ich bin heute früh hier angekommen, teures Herz, und da
die Post heut abgeht, schreibe ich Dir gleich einige
Worte. Stell Dir nur vor! Als ich heute zwischen
9 und 10 Uhr eine halbe Meile vor Weimar war, hält mein
Wagen plötzlich still. Ich mache die Fenster auf, und siehe da,
es war Goethe, der mir entgegengefahren war. Es hat mich un-
endlich gerührt, zugleich ihn so heiter und wohl und so gut und
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