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[   Band 7 Brief 158:    Humboldt an Caroline    Weimar, 26. Dezember 1826   ]


ewig gegenwärtig bleiben wird, was ich in jener Zeit an der bängsten
Besorgnis litt. Ich hatte zwar mitten in der bewegtesten Furcht
doch wieder eine große Hoffnung, einen lebendigen Glauben an
Deine so gute und starke Natur, und an die Fügung, die alles
bisher, was unser inneres Zusammenleben betrifft, so glücklich ge-
leitet hat. Aber der Anschein war so schlimm, Du littest so sehr,
und es stand auf einmal so alles auf dem Spiel. Ich fühle es
mit der tiefsten Dankbarkeit, daß es sich nachher so glücklich ge-
wendet hat, und jetzt, da es doch mit jeder Woche eher besser als
schlimmer gegangen ist, fasse ich das Vertrauen, daß jede Gefahr
vorüber ist und Du noch recht lange Glück unter allen den Deinen
verbreiten wirst. Es war doch leider schon ein- oder zweimal in
unserem Zusammenleben der Fall gewesen, daß ich bange Besorg-
nis für Dich gehegt hatte, und immer hatte es sich wieder glücklich
gewendet. Diese Erinnerung war mir auch diesmal ein Trost.
Die drei Strophen sind unnachahmlich schön in Empfindung
und Sprache und haben etwas unendlich Rührendes und Trösten-
des zugleich. Wenn sich eine innig empfundene Wahrheit ganz
einfach und doch durchaus dichterisch ausspricht, bringt es immer
die höchste Wirkung hervor, und gerade darin liegt immer in allem,
was Du machst, ein Dir ganz eigentümlicher Zauber. In Caro-
linen und dem, was ich von ihr gedichtet gesehen habe, ist das viel
anders. Die Einbildungskraft ist mehr vom Gefühl getrennt, und
das Gesagte greift darum weniger tief und einfach ein. Auch
jetzt fand ich das in ihr wieder. Ihr Schmerz hat aber doch jetzt
etwas sehr Schönes. Er ist noch tief in ihr ganzes Wesen ver-
webt, und doch hat sie eine Fassung, eine Klarheit, selbst eine
Heiterkeit, die man, wenn man nicht beides so vereint sähe, schwer
damit reimen könnte. Nur ist es unglaublich (wie gut es auch
für sie ist), welche Illusionen sie sich über den Adolf macht. Man
glaubt ihn gar nicht gekannt zu haben, wenn man sie von ihm

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