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viel sie kann, um des Morgens durch die ersten 1 1/2 Stunden
durchzukommen, allein es hat alles seine Schwierigkeit. Die Leute
im Hause sind nicht übertrieben serviable. Ehe man des Morgens
durch den Wust von Kleidern, unaufgeräumten Stuben, unange-
zogenen Kindern durchkommt, muß man sich einige Male »geh’
Alte« zur Ermunterung sagen.
Das Wetter ist seit fünf Tagen sehr schön geworden. Meine
Gesundheit ist leidlich. Ich habe bis jetzt beim Prinzen Talleyrand *) —
die Herzogin von Dino **) macht die Honneurs —, bei Werthers ***),
bei Rothschild, bei der Gr. Rumford und bei der Herzogin von
Broglie, Albertine de Staël, gegessen und werde übermorgen bei dem
russischen Gesandten essen. Humboldt hat bei sehr viel mehr Leuten
gegessen und ist in einer wahrhaft bewunderungswürdigen Geistes-
und Körpertätigkeit.
Ich schreibe heute schon am ersten Mai, Paris ist eigentlich
doch eine wunderschöne Stadt, ich möchte sie mit Dir genießen,
aber nicht in einem Wirtshaus, sondern in einer kleinen ruhigen
Existenz. Gabrielle schreibt Dir, wie wir die Wohnung aufgefunden,
wo Du geboren, die Terrasse, wo Theodor immer im Sande lag,
bis in das Zimmer, wo Du das Licht erblickt, bin ich gedrungen.
Ach, meine Adelheid! Zum 17. nimm meine innigsten Segens-
wünsche an. Wir schweben da wohl auf dunkler Meereswoge.
An Gabrielles Trennung kann ich nicht denken und denke doch
immer daran. Ein physischer Schmerz am Herzen ergreift mich
augenblicklich.

———
*) Charles Maurice Prinz v. Talleyrand, geb. 1754, † 1838, der be-
rühmte Diplomat.
**) Dorothee, geb. 1793, † 1862, die jüngste der vier schönen Töchter
des Herzogs Peter Biron von Kurland, seit 1809 mit dem Prinzen 
Edmond Talleyrand, Duc de Dino, Neffe des vorstehenden, vermählt.
***) Wilhelm von Werther, geb. 1772, † 1859, preußischer Gesandter in
Paris von 1824 bis 1837, von 1837 bis 1841 Minister des Auswärtigen.

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