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Caroline an ihre Tochter Adelheid                  London, 3. Juli 1828

Vor acht Tagen erst, geliebte Adelheid, ist mir Dein süßer
Brief vom 7. Juni zugekommen. Ja, Du ahndest nur
zu richtig, am Ziele der Reise erwarten uns die bittersten
Schmerzen. Unsere Abreise ist vorläufig auf den 16. Juli fest-
gestellt, und wenn ich nur daran denke, so fühle ich mein armes
Herz krampfhaft zusammengezogen. Wäre nur eine Zeit bestimmt,
dürfte ich mir sagen, nach zwei, nach drei Jahren werde ich mein liebes
Kind wiedersehen, ach, so zählte ich ergeben die Wochen und Mo-
nate und hoffte, hoffte auf das, was ich vielleicht nicht erleben
würde — aber ich hoffte. Nun hoffe ich nichts, und kann mich
auch nicht des Gedankens erfreuen und mich daran halten und auf-
richten, daß Gabrielle hier eigentlich glücklich sein wird. Ich möchte
sagen, sie ist zu gut dazu, aber wie ich das eigentlich verstehe,
darüber kann ich mich nur mündlich einmal explizieren, denn gewiß
bin ich nicht so ungerecht, das Schöne, ja das Vorzügliche von
England nicht zu erkennen, aber da Du ihr stilles, liebes, in sich
geschlossenes Wesen kennst und liebst wie ich, so wirst Du, meine
teure Adelheid, mich ganz verstehen.
Meine Gesundheit hat sich eher etwas besser als schlechter in
diesen letzten Wochen gemacht. Ich habe viel Schönes hier ge-
sehen, was ich größtenteils der unermüdlichen Tätigkeit meines
teuren Mannes schuldig bin, der alles aufgeboten, mich das sehen
zu machen, was mich vorzüglich freuen konnte. Das Britische
Museum mit den Fragmenten, die Lord Elgin in Griechenland
gesammelt hat, bleibt immer das Größeste hier, und man ist in jenem
schmucklosen Raum, wo sie stehen (man baut jetzt ein neues
Museum), wie von einem Gefühl höheren Daseins umfangen.
Wenn Du einmal wieder in Berlin bei uns bist, wollen wir doch
suchen, die schöne Gipssammlung zusammen zu sehen, wo ich Dir

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