< zurück      Inhalt      vor >                                          
 



                                              Berlin, 12. Dezember 1828

Ich halte es für gut, Dir, liebster Sohn, allein einige Worte
über den Gesundheitszustand der armen Mutter zu sagen, von
dem Du, was Du gut hältst, der lieben Adelheid mitteilen wirst.
Ich werde Dir alles Wesentliche sagen, aber sehr kurz sein . . .
Die Mutter machte selbst die Entdeckung . . . Sie sagte mir
eben mit großer Bewegung (dies waren ihre Worte), »daß sie wohl
bald Abschied nehmen würde«, und Kunth sagte sie, »es sei der
Anfang des Endes«. So ist es nun auch offenbar. Das Übel
ist da und ist unheilbar. Wie kurz oder lange, ob und wie
schmerzhaft sein Fortgang sein wird, kann niemand bestimmen. Es
ist möglich, daß es sehr langsam geht, daß jene Schwäche die
Schmerzen lindert. So könnte es Jahre dauern. Aber mir ist
das nicht wahrscheinlich, die physische Kraftlosigkeit ist zu
groß . . .
Die Mutter freut sich unglaublich auf Euch, Hermann wird
auch zu Weihnachten hier sein.
Nun lebe wohl. Mein Gemüt ist zerrissen. Carolinen hat
die Mutter alles sorgfältig verheimlicht. Sie ist traurig, ahndet
doch aber die nahe Gefahr nicht.
Ich habe nun die schreckliche Gewißheit, daß ich die Mutter
überleben werde. Ich hoffte immer das Gegenteil, und es wäre
für mich, für Euch alle, auch für meine Frau selbst, so sehr sie
mich vermißt haben würde, besser gewesen. Ich werde suchen ruhig
und gefaßt zu bleiben und mich in das Unvermeidliche zu finden.
Aber mein inneres Dasein wird durch diesen Tod noch mehr als
die äußere Existenz zerstört. Das weiß ich, wie man eine Natur-
begebenheit voraus weiß. Außerdem tut mir die arme Caroline
unglaublich leid.
Sage nicht, lieber August, daß ich mich zu sehr im voraus
ängstige. Die Sache ist leider zu gewiß. Nur der Zeitpunkt ist

                                                                       340