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ohne einige Änderung fort. Die Krankheit will zu keiner ent-
scheidenden Krisis kommen. Ich kann nie an der Kunthsburg *)
vorbeigehen, ohne zu denken, daß er bald dort liegen wird. Tegel
wird dann zwei Gräber haben, aber Tegel ist so freundlich in sich,
und der Tod, wenn ihn der Mensch in seiner wahren Gestalt
aufzunehmen weiß, ist eine so milde Erscheinung, eine so wahrhaft
himmlische Auflösung des irdischen Lebens, daß ich nicht fürchte,
daß Tegel darum düster und schwermuterregend werden wird, auch
nicht für Euch und noch Jüngere, die es einmal bewohnen werden.


Humboldt an seine Kinder                          Tegel, 1. Januar 1830

Ich umarme Euch, geliebte Kinder, von ganzer Seele, und
wünsche Euch Glück zum neuen Jahre. Ich habe Eurer
um Mitternacht mit den innigsten Gefühlen gedacht.
Das vergangene Jahr hat für uns alle, aber noch mehr für mich
eine höchst wehmütige Epoche gemacht. Meinem Leben hat es
wahrhaft eine ganz veränderte Bestimmung gegeben. Ich fühle
aber doppelt Eure Liebe, teure Kinder, und sie und Euer aller
Sorgfalt für mich erfüllt mich mit der tiefsten Dankbarkeit. Möchte
Euch dauernd alles dafür werden, was das Leben erfreuen und
erheitern kann.
Es ist sehr gelinde, aber finster am Anfang des Jahres. Die
Bäume sind aber schön bereift.
Lebt innigst wohl und seht diese Zeilen als an Euch alle drei
gerichtet an. Von innigem Herzen
Euer treuer Vater H.

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*) Stelle im Tegeler Park, wo sich Kunth seine letzte Ruhestätte be-
reitet hatte.

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