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[   Band 1 Brief 116:    Caroline an Humboldt     [Erfurt], Freitag morgen, den 14. Januar 1791   ]


sicherte, wie fatal eigentlich eine preußische Regierungsratsstelle
sein müsse u. dgl. »Aber in drei bis vier Iahren«, sagte Papa,
»wäre Wilhelm gewiß Präsident, und da hat er nicht mehr so viel
zu tun und kann seinen eignen Studien mehr leben, denn die sind’s
gewiß, die ihm am Herzen liegen.« »Wohl mehr wie die Präsidenten-
stelle,« antwortete ich. So weit ungefähr die erste Unterredung.
Es ist mir nur lieb, die Idee der Möglichkeit des Abschiednehmens
in Papas Kopf gebracht zu haben, die bisher gar nicht darin exi-
stierte, und überhaupt einen Faden zu haben, an dem ich andre
Unterredungen anknüpfen kann. Ich zweifle nicht, daß Papa Dir
nun mit ehestem schreiben wird. Antworte so, daß es mir Veran-
lassung gibt, bestimmter noch zu sprechen. Die Gewißheit, mich
länger um sich zu behalten, wird übrigens Balsam auf die Wunde
sein. C’est ce qu’il faut réserver pour la bonne bouche. Sei nur
gutes Mutes, es wird schon gehn. Eine vorübergehende Unzu-
friedenheit ist doch in keinen Anschlag zu bringen. Den Vorurteilen
andrer könnte ich manches zum Opfer bringen, aber nicht das
wahrhaft Gute und Schöne. Mama ist recht vernünftig. Möge
ihre Vernunft auf Papa umgehen. Nun lebe wohl, mein holdes,
süßes Leben.


117. Caroline an Humboldt         [Erfurt], Donnerstag morgen,
                                            20. Januar 1791
Mein Bill, Du bekommst heute nur einige Zeilen. Seit vier
Abenden kam Li nicht zu Dir. Den Sonntag und Mon-
tag brachte sie sehr bang zu, und die Sinne waren ihr
wie verwirrt über eine Nachricht, Schiller sei bei seiner Rückkunft
nach Jena von einem hitzigen Brustfieber befallen und ohne
Hoffnung. Ich mag Dir nicht sagen, wie mich das ergriff, und
wie ich den Schmerz fühlte, meinen Freunden in solch einer Lage

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