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[   Band 1 Brief 117:    Caroline an Humboldt     [Erfurt], Donnerstag morgen, 20. Januar 1791   ]


nichts sein zu können. Endlich kam tröstende Nachricht von Jena,
aber es hatte mit der Krankheit seine völlige Richtigkeit, und
Schiller ist noch matt und nicht ohne Fieber, aber der Arzt gibt
gute Hoffnung. Gestern und vorgestern kam ich so spät aus Ge-
sellschaften zurück, daß ich meinem Bill nichts sagen konnte. Ach
Gott, wenn ich bei Dir bin, ist alles besser. Jetzt zerstört mich
alles, und auf die Anstrengung, die mir die Gesellschaft kostet, folgt
eine Totenmattigkeit. Meine Gesundheit geht dabei so lala. Ich
habe oft eine Art Fieber, und gegen Abend nimmt es zu. Aber
sei ruhig, an Deinem Busen blüht Li wieder auf — brauche auch
nichts — keinen Arzt — was wollen sie von meiner Krankheit
wissen. Mit der Seele wird alles besser gehn, und ich sage dies
nur, weil Bill alles, alles wissen muß.
Adieu, mein süßes, einziges Leben!


118. Caroline an Humboldt [Erfurt], 21. Januar 1791, abends

O wann werd ich nicht mehr diese toten Zeichen brauchen,
meine Seele vor Dir auszusprechen, teurer, geliebter
Mann!
Heute morgen empfing ich Deinen Brief. Ich hätte Dir so
gern schon gestern geschrieben, aber ich konnte nicht. Ein Brief von
Lili mehrte die Trübheit meiner Seele. Meine Gedanken weichen
nicht von dem teuren Wesen, ach, aber was sind Gedanken! Schillers
Krankheit, die quälende Ungewißheit des Moments, haben alle
Ruh aus ihrer Seele genommen, und sie zögert, nach Jena zu
gehen, um die Mama nicht zu schmerzlich zu bewegen, weil dort
eine Epidemie herrscht, an der viele Menschen sterben, und mehr
noch, um Lottgens Unruhe nicht zu vermehren, wenn sie ganz sieht,

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