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[   Band 3 Brief 21:    Humboldt an Caroline    Rudolstadt, den 11. Dezember 1808   ]


Die Fürstin hat mich mit großer Auszeichnung und wirklicher
Herzlichkeit empfangen. Ich habe gestern morgen erst zu ihr
kommen müssen, wo bloß die Fürstlichkeiten versammelt waren.
Ihr Bruder, der Prinz Louis von Hessen-Homburg, der in unsern
Diensten war und in Erfurt gefangen genommen wurde, ist auch
hier, und gefällt mir unendlich mehr als die meisten Prinzen. Die
Fürstin regiert alles selbst, bis ins geringste Detail, und man liebt
und ehrt sie außerordentlich. Unsere Gespräche haben meist Rom
und den Krieg und Prinz Louis-Ferdinand *) betroffen. Er hat die
Nacht vor seinem Tode auf dem Schloß geschlafen und ist mehrere
Tage vorher hier gewesen. Seine militärischen Dispositionen
scheinen, wenn man den Leuten glauben darf, sehr sonderbar ge-
wesen zu sein. Die Magazine sind ohne Waffen gewesen, die
Orders an die Generäle sind durch Rudolstädtische Bauern geschickt
worden, und alles ist unordentlich und zu spät angekommen. Er
selbst hat die Gegend so wenig gekannt, daß er beim Wegreiten
zur Affäre am Morgen seines Todes Beulwitz nach dem Weg nach
Saalfeld gefragt und doch nicht den kürzesten genommen hat. Bei
der Affäre selbst standen seine Truppen in der Ebene und die
Franzosen auf den Bergen, so daß sie allen Vorteil hatten. Doch
fing er die Bataille an, da die Franzosen ihn schwerlich angegriffen
hätten. Er hat gewöhnlich lang geschlafen, und am Morgen der
Affäre haben sie noch in der ganzen Stadt nach einer Spezialkarte
herumgeschickt. Die Stellung und Zahl der Franzosen ist ihm ganz
unbekannt gewesen. Von seiner Liebenswürdigkeit können alle nicht
genug erzählen. Er hat in alle den Tagen, da er hier gewesen,
viel und sehr schön auf dem Klavier gespielt. Den Abend vor
seinem Tode, wo er sehr nachdenkend gewesen ist, hat der ver-
storbene Fürst ihn nach Tisch noch zu spielen gebeten. Die Fürstin

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*) Prinz Louis-Ferdinand von Preußen, der bei Saalfeld am 10. Ok-
tober 1806 blieb.

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