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[   Band 3 Brief 32:    Humboldt an Caroline    Wittenberg, 9. Januar 1809   ]


die er bisher nicht habe anzubringen Gelegenheit gefunden. Es
werden zwei kleine Bändchen werden.
So sein recht eigentliches häusliches Leben mit der teuren Hälfte
und Riemern ist nichts weniger als interessant oder hübsch. Habe ich
Dir schon erzählt, daß er die Frau »Du« und sie ihn »Sie« nennt?
Das, siehst Du, liebes Kind, ist ein Respekt! Riemer ist noch breiter,
schwammiger und zerflossener geworden als Du ihn schon kanntest,
und so behaglich und gemächlich, daß er um 8 Uhr immer noch im
Bett liegt. Er ist ganz eigentlich der Famulus des großen
Mannes, redet immer in »Wir« und hat auch zu den kleinsten
Dingen, um die man ihn bittet, nie einen Augenblick Zeit. Dabei
treibt er unendlichen gesellschaftlichen (auch Goethe nachgemachten)
meist sehr tändelnden, meist läppischen und ziemlich arg magister-
mäßigen Spaß. So macht er jetzt Sonette, die Goethe unendlich
protegiert. Nicht genug, daß Riemer sie mir vorlesen mußte, so
nahm auch Goethe selbst sie oft und las sie noch einmal. Sie sind
nicht geradehin schlecht, meist komisch und satirisch, aber doch oft
sehr fade. Die meisten roulieren zuletzt auf einem Wortspiel, einem
angewandten Sprichwort oder einer Volksphrase usf. Du erinnerst
Dich dieser alten Manier noch?
Ich habe Dir bei Gelegenheit Fernows, liebe Li, von
einer gewissen Madame Schopenhauer geschrieben. Auf diese
gehen nun diese Sonette vielfältig in den artigsten Phrasen.
Von mir verlangte diese denn gar, daß ich ihr Notizen aus
Fernows Leben liefern sollte, allein damit kam sie bei mir nun
sehr unglücklich an. Von ihrer Verbindung mit ihm erzählte
sie mir die wunderlichsten Dinge. Nie wäre eine Verbindung
zwischen Personen beiderlei Geschlechts inniger gewesen, und doch
hätte sie ihnen nur beiden gleiche Ehre gemacht. In dem
Enthusiasmus über diese edle Verbindung vergaß sie so sehr, daß
Fernow doch eine Frau gehabt hatte, und erzählte so dreist, daß,

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