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[   Band 3 Brief 32:    Humboldt an Caroline    Wittenberg, 9. Januar 1809   ]


als nun die Frau so krank geworden sei, daß sie ihrer Wirtschaft
nicht mehr habe vorstehen können, Fernow alle Tage bei ihr (der
Sch.) gegessen, daß ich mich nicht entbrechen konnte, zu bemerken,
daß es recht gut für die Frau gewesen sei zu sterben, da sie so
verlassen gewesen sei. Hierbei stutzte sie auf einmal und lenkte
ein. Mir ist sie durch Figur, Stimme und affektiertes Wesen
fatal, aber Goethe versäumt keinen ihrer Tees, die sie zweimal
alle Woche gibt. Nur die Wolzogen und ich haben ihn ein
paarmal untreu gemacht.
Mit dem Theater ist alles wieder im Gleise, und Goethe hat
wieder die ganze ungehinderte Direktion. Nur haben Goethe und
Mademoiselle Jagemann sich jeder einen Schauspieler geschlachtet,
und so ist es, nach Carolinens Ausdruck, wie in der Braut von
Messina gegangen: »die Diener tragen alle Schuld«. Wie viel
doch in Deutschland, trotz des Unglücks der Zeiten, für die
Schillerschen Kinder geschehen ist, sollte man nicht denken. Noch
jetzt hat man ihnen ein Benefiz in Wien gegeben, das ihnen
6000 Taler, nur freilich in Papiergeld, eingebracht hat. Iffland
in Berlin hat sich auch sehr brav gezeigt. Leider aber Goethe
gar nicht. Er hat fast gar keinen Anteil geäußert. Als Schiller
starb, war zwischen ihm und Goethe eine leichte Brouillerie;
teils deswegen, teils weil er selbst eben von einer großen Krankheit
kam, hat ihn Goethe in seiner Krankheit nicht gesehen; aber
wunderbar ist es, daß er auch Monate nachher die Wolzogen und
die Lolo *) vermieden hat. Jetzt erst ist er wieder sehr gut mit beiden.
Ohne das Legionkreuz geht Goethe niemals, und von dem, durch
den er es hat, pflegt er immer »mein Kaiser« zu sagen!
Umarme und grüße alle, liebe teure Herzensli
Ewig, ewig Dein H.

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*) Lotte Schiller. 

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