< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 3 Brief 65:    Humboldt an Caroline    Königsberg, 18. April 1809   ]


und kraus, daß man wenig davon begreift. Gleich ein Tag nach
meiner Ankunft habe ich beim König gegessen, nach Tisch ließ er
mich allein rufen und hat ein langes und sehr ernsthaftes Gespräch
mit mir gehabt. Eindruck hat es auf ihn gemacht, das weiß ich,
weil er es am Abend zweimal zitiert hat. Ob aber mehrere andere
folgen werden, weiß ich darum nicht. Das Departement, das ich
habe, liegt zu fern von den Hauptzweigen der Verwaltung, als daß
er oft genau daran denken sollte. Er selbst hat viel gesprochen,
und mit sehr gesundem, richtigem Blick, viel Zusammenhang und
einem eigenen Scharfsinn in Behauptung seiner Meinung. Unter
den Ministern, den Geheimen Staatsräten und anderen Bureaus
ist hier ein eigenes und für den Augenblick belustigendes, hernach
aber verdrießliches Treiben. Die neue Verfassung ist halb ausge-
führt, und die andere Hälfte scheuen sich die Minister auszuführen.
Bei viel anscheinender Einigkeit arbeitet nur einer gegen den an-
dern, und mir haben, als einem neuen Ankömmling, alle ihr Herz
ausgeschüttet und mir mehr oder weniger eine Koalition angeboten.
Dohna, behaupten viele, werde sich nicht lange zu halten vermögen.
Ist das, so gehe ich nach Rom zurück, oder komme ins Mini-
sterium. Ein drittes gibt es sonst für mich dabei nicht. Ich laviere
daher jetzt auch mehr als je, um den römischen Posten noch unbe-
setzt zu lassen. Ach, es wär ein wunderbares Glück, wenn das
Schicksal mich noch so bald in deine Arme zurückführte. Denn
sonst, fürchte ich, kann unsere Trennung noch sehr lang sein. Ob-
gleich der Krieg noch nicht ausgebrochen ist, so haben wir heute hier die
Proklamation des Erzherzogs Karl vom 6. April erhalten, die so
gut als eine Kriegserklärung ist. Dann ist aller Weg von Italien
nach Deutschland gesperrt und wer weiß, ob nicht dann auch das
nördliche Deutschland selbst beunruhigt wird. Dabei verzögert sich,
wenn Krieg wird, die Rückkunft des Königs nach Berlin, und
Königsberg ist wirklich abscheulich. Indes rechne ich noch immer

                                                                       137