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[   Band 4 Brief 106:    Humboldt an Caroline    Freiburg, 28. Dezember 1813   ]


einen Flor sah. Ich stand lange am Fenster und dachte an Dich,
teures Herz. Dann ging ich wieder zum Dom, ihn im Mond-
schein zu sehen. Die Vega in der Leier stand gerade so, daß sie
wie unmittelbar auf seiner Spitze ruhend aussah. Ich konnte
lange nicht den Platz verlassen. Es ist nicht zu sagen, wieviel
schöner dieser Turm als der Stephansturm ist.
Zu Hause habe ich für mich gearbeitet uud heute das erste
Stück des Agamemnon so fertig weggeschickt, daß es nunmehr
gedruckt werden kann. Meine Liebe zu diesem Stück läßt es mir
nie an Geduld fehlen, und ich glaube nicht unglücklich geändert zu
haben. In dem, was ich den letzten Winter in Wien als so gut
als vollendet ansah, ist keine Seite, wo nicht mehrere Verse hätten
anders werden müssen.
Ein Engländer in Berlin, der viel im Radziwillschen Hause
war, hatte nach England sehr viel von dem Patriotismus der
Preußen und den Bemühungen der Frauen um die Verwundeten
geschrieben. Dies hat dort einen solchen Enthusiasmus erregt,
daß man Kollekten für Bedürfnisse der Preußischen Lazarette an-
gelegt hat, und ein Schiff unterwegs ist, das für 34 000 Pfund
solche Bedürfnisse mitbringt. Daneben hat man noch eine eigene
Damenkollekte in London gesammelt, und von dieser sind 400 Pfund
bar geschickt worden. Beides ist doch sehr großmütig und gut. . . .


107. Humboldt an Caroline             Freiburg, 29. Dezember 1813

Ich war heute wieder ziemlich lange allein in dem Dom
und besah nun das Innere. Es ist von dem reinsten
und schönsten Geschmack, die göttlichsten Fensterscheiben
mit großen Gemälden und überall volles, prächtiges Licht. Von

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