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[   Band 4 Brief 177:    Humboldt an Caroline    London, 11. Junius 1814   ]


177. Humboldt an Caroline                 London, 11. Junius 1814

Von London kann ich Dir heute nur in zwei Worten sagen.
Ich erhielt den Jäger und meinen Wagen noch denselben
Tag, an dem ich Dir von Dover aus schrieb, und wir
fuhren alle nach Sittingbourne. Dort blieben wir die Nacht und
kamen am anderen Tag in London an. Auf dem ganzen Wege
begrüßten uns alle Leute, die wie an Festtagen vor den Türen
versammelt waren. Männer und Frauen kamen zu den Wagen
und beruhigten sich nicht, bis man ihnen die Hand gegeben hatte.
»Shakehands« riefen sie immer schon von weitem.
In London wurde eben der Friede proklamiert. Das Gedränge
war entsetzlich. Wir mußten wohl eine Stunde halten, und indes
strömte das Volk so um unsere Wagen herum, daß einige ver-
nünftigere Leute es nur abhalten mußten, uns nicht vor Zärtlichkeit
gar zu lästig zu werden. Am Abend hätten sie Bülow *) und mich
wirklich beinahe erdrückt. Wir aßen alle beim Prinz-Regenten.
Nach Tisch, d. h. um 11 Uhr, konnten wir unsere Wagen nicht
finden. Aus Vorsicht gab man uns drei Mann Wache mit. So,
mit allen Orden, kamen wir in das Volk, das bei der Illumination
durch alle Straßen zog. Wie sie uns sahen, stürzten sie von allen
Seiten mit unglaublichein Hurra auf uns los, und nun war an
keinen Weg mehr zu denken. Man wurde nun hingedrängt, wo
die Menge wollte. Die Soldaten konnten nicht helfen. Ich sah
einige Male den Augenblick kommen, wo wir beide hinfielen, und
man über uns wegging. Doch mußte ich laut lachen. Denn
wenn wir uns hielten und uns umdrehten, reichten Männer und
Frauen uns die Hände und waren gut und freundlich, indem sie
uns bald totmachten. Mit unendlicher Arbeit flüchteten wir uns
in ein Café, da gab man uns andere Kleider, und so brachten uns

———
*) Vgl. S. 175.

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