< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 5 Brief 154:    Humboldt an Caroline    Berlin, 9. Junius 1817   ]


Zeit reißt zur Wirklichkeit hin, und nur wenige bleiben jetzt bei
dem mit Achtung und Liebe, was man, in Wissenschaft und Kunst nur
um der reinen Idee willen, fern von aller Anwendung treiben
kann. Jeder taucht von früh an tief in das wirkliche Leben ein,
und so geht jenes verloren. Für Bülow ist mir indes nicht
bange, daß das sein künftiges Glück mit Gabriele stören könnte.
In Gabriele ist alles das ganz anders. Nun fehlt es doch Bülow
nicht an Empfänglichkeit, er wird also nicht in Gabriele unterdrücken,
sondern selbst durch sie gewinnen, und für viele andere Verhältnisse
ist sein gründlich und doch reges Eingehen in die Wirklichkeit wieder
sehr schätzbar. Ich bin außerordentlich mit seiner Art zu sein zu-
frieden. Man könnte sich nicht hübscher und liebevoller in dieser
Lage betragen. 
Hier gehen die Sachen noch immer sehr bunt, und es zeigt
sich nun auch deutlicher der Neid, die Eifersucht und die Furcht
wegen meiner. Es wird geäußert, ich stände zu hoch, es wird mit
der größten Affektation und Übertreibung von meinen Reichtümern
gesprochen. Was man noch sonst hervorsuchen kann, unterläßt
man nicht, da ich nun aber wenig Blößen gebe, so heißt es bald,
daß ich irreligiös bin, bald, daß ich nur mit den Geschäften spiele
und sie wie interressant zu lösende Aufgaben behandele, aber daß
mir an dem Staat und den Resultaten nichts liegt usf.
Selbst der, der mit uns in einem Wirtshaus wohnte, der mit mir
jetzt in allem ist, und den ich selbst immer mit herangezogen habe,
hat, und noch dazu gegen Kunth, sehr nachteilig von mir gesprochen.
Ich hätte kein Gemüt, wie in der Kommission einer mit Gemüt
an meiner Stelle die Menschen hätte ergreifen, erheben, begeistern
können. Mir kommt das immer sehr spaßig vor, und ich kann
nur darauf sagen, daß ich meinem Schöpfer danke, daß ich nicht
der Herren ihr Gemüt habe. Ich würde wirklich auf meines nichts
geben, wenn es so wie eine Pflanze im Sande obenauf läge, daß

                                                                       328