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[   Band 5 Brief 153:    Caroline an Humboldt     Rom, 7. Junius 1817   ]


Friedens deutet mir immer die Pyramide, aber wer kann die über-
strömenden Schmerzen des Busens bezwingen!
Hast Du das Manuskript de St. Helène gelesen? Man
sagt hier, Frau von Staël *) habe zu jemand, der bezweifeln wollte,
daß es von Napoleon sei, geantwortet: »mon Dieu, vous me faites
frémir, il y en a donc deux!« Sein hartes, um der Menschheit,
des Besseren was im Menschen vorgeht, unkundiges Gemüt offen-
bart sich darin unaussprechlich.
Lebe wohl, einzig liebes, teures Wesen!


154. Humboldt an Caroline                  Berlin, 9. Junius 1817

Was Du über Bülow sagst, ist sehr wahr, und so wie Du
immer die Menschen tief und richtig erkennst. Auch ich
hätte gewollt, daß er euch hätte begleiten können, und
hätte man mit ihm wie mit einem eigenen Sohn schalten und walten
können, so hätte ich es getan. Freilich meine ich das nur für
seine eigene Ausbildung, denn sonst glaube ich auch, daß die Trennung
beider jetzt, trotz des Schmerzlichen, das sie hat, heilsam war.
Ihm aber jetzt zu raten, sich mit Kunst zu beschäftigen, kann
nicht viel helfen, liebes Herz. Dafür muß einem der Sinn erst
von selbst aufgehen, ehe recht Beschäftigung damit möglich ist. Ich
weiß es von mir selbst. Ich bin bis in mein 18. Jahr wohl noch
trockener als Bülow gewesen, allein ich hatte das Studium der
Alten, was mich nachher besser geleitet hat. Dies ist das Schlimme
in Bülows erster Erziehung, daß dies versäumt worden ist. Dann
liegt es aber auch tiefer und in der Zeit. Die Größe der Begeben-
heiten, das Unglück, was vorausging, die ganze Stimmung der

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*) Germaine de Staël-Holstein, geb. 1766, † 1817, Tochter des fran-
zösischen Finanzministers Necker.

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