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[   Band 6 Brief 111:    Caroline an Humboldt     Rom, 13. August 1818   ]


111. Caroline an Humboldt                        Rom, 13. August 1818

Mein teures Herz, mein geliebter Wilhelm!
Ich beantworte heute Deinen vorgestern empfangenen
Brief, den ich in dem Augenblick bekam, wo ich den
meinen schloß. — —
Der arme Fohr war baden gegangen. Sie waren schon mit
Baden fertig und wollten nun, er und zwei seiner Freunde, herein
zur Kuppelbeleuchtung gehen, als der Kupferstecher Bart äußerte,
er wolle noch einmal über die Tiber schwimmen. Dieser Bart,
ein Hildburghauser, soll ein trefflicher Schwimmer sein. Fohr
schwamm nur wenig, hatte überdem, obgleich er sehr groß war, eine
eingedrückte Brust. Er sagt, er wolle mit. Bart bittet ihn, es
nicht zu tun, allein er geht auf einer langen Erdzunge, die da in
der Tiber gegenüber der Villa Mellini ist, hinter Bart her in das
Wasser hinein. Bart hört ihn nach ein paar Sekunden um Hilfe
rufen, wendet sogleich um, faßt ihn bei den Haaren, die er aus-
nehmend schön hatte, schwimmt um ihn herum und faßt seine Hand.
Er sucht ein Ufer mit ihm zu erreichen, allein Fohr hilft sich nicht
mehr (es ist wahrscheinlich, daß er einen heftigen Krampf hatte),
faßt nicht einmal mehr Barts Hand, und der Bart kann ihn nicht
aus dem Strudel herausbringen, den die Tiber da macht. Fohr
war sehr groß, Bart ein kleiner Mensch. Mit einem Wort, der
unglückliche Bart rettet sich selbst nur wie durch ein Wunder, und
zwei andere Freunde, die mit baden gegangen waren, aber nicht
schwimmen konnten, ziehen den Bart an der Spitze der Erdzunge,
vor der Fohr vor ihren Augen untergegangen war, halbtot aus
dem Wasser. Unterhalb St. Paul hat man ihn erst am 3. Julius
wiedergefunden und nur an den schönen braunen Haaren erkannt,
so unkenntlich war er durch die Stöße, die er wahrscheinlich im
Wasser bekommen hat an der Brücke. Man wird ihm ein Denk-

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