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[   Band 7 Brief 5:    Caroline an Humboldt     Dresden, 25. Mai 1820   ]


sind die Umgebungen von Dresden doch in hohem Grade. Die
hohen wogenden Kornfelder, die jetzt noch nicht die einigermaßen
fahle Blässe der Reife haben, die üppig tiefgrünen Wiesen, die
ganz herrlichen Baumgruppen geben einem doch ein ganz anderes
Gefühl innerer Kraft des Bodens. Der große Garten, der früher
nur eine Fasanerie war, hat besonders gewonnen. Er litt bei der
Belagerung von Dresden so, daß man ihn aushauen mußte, weil
das meiste niedere Gesträuch niedergetreten war. Das geschah
durch einen Menschen, der Geschmack hatte, und nunmehr ist dieser
Ort wirklich ein sehr reizender und großartiger Spaziergang mit
herrlichen Wiesen, kostbaren Bäumen und Aussichten. Ich zählte
an mehreren Stellen sechs bis sieben dicke Baumstämme aus einer
Wurzel entsprossen.
Wieviel mag es amüsanter in Tegel sein, als nun bald in
der großen Purgieranstalt Europas. Ich komme beinah um einen
schönen stillen Sommeraufenthalt. Wie wird es mit deiner Reise
nach Schlesien werden?
Gabrielles Schönheit und Fraîcheur erregt viel Sensation
hier. Man findet sie außerordentlich reizend. Das gute liebe
Kind ist dabei in ihrer gewohnten Unbefangenheit und Stille.
Adieu, mein süßes, teures Herz, die Kinder grüßen.
Ewig in innigster Liebe Dein.


6. Humboldt an Caroline                  Tegel, 26. Mai 1820

Ich habe mich unendlich gefreut, liebe Li, Deinen Brief vom
21. zu empfangen. Er fand mich vorgestern in Berlin.
Weigels Krankheit ist, außerdem, daß sie mir seinetwegen
sehr leid tut, recht fatal.

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