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[   Band 6 Brief 112:    Humboldt an Caroline    London, 18. August 1818   ]


ich selbst erst weiß, seit ich diesen Brief schreibe. Die große Gräfin
ist hier, die Schlabrendorffin *)! Sie schreibt mir einigermaßen
gütig, weil ich ihr vor vielen Monaten freundlich nach Paris
geschrieben hatte, aber immer pikiert, weil wir ihr in Berlin nicht
genug angetan haben; sie fragt, wann sie die erfreuliche Ehre haben
kann, mich zu besuchen. Ich habe ihr gleich geantwortet, ich würde
noch heute kommen, dann sie zum Essen gebeten. Kommt sie heute,
ist sie glücklich, sie findet Reste eines gestrigen Diners, das sehr
klein aber wirklich über die Maßen gut war. Ich habe ihr ange-
boten, sie mit meinem Wagen abzuholen. Noch habe ich keine
Antwort. Sie war nicht zu Hause. Sie läuft gewiß auch wie
die Offizierdamen mit Siebenmeilenstiefeln in den Straßen herum.
Ich freue mich eigentlich, sie zu sehen, auch von Schlabrendorff zu hören.
Nun lebe wohl, allergeliebtestes Herz, umarme die Mädchen.
Ewig Dein H.


113. Caroline an Humboldt                 Genzano, 19. August 1818

Ich bin seit vorigen Freitag abends hier, wo ich in dem-
selben Hause der Schlegel und der Herz wohne. Die
Damen wohnen hier sehr ruhig und hübsch, jede hat ein
eigenes Zimmer, und ein Salon ist zur allgemeinen Vereinigung
da. Die Herz führt die Wirtschaft für alle und hat mich auch
für diese Tage in die Kost genommen. Auf eine andere Weise
hätte es mich geniert, sechs Tage lang hier zu sein, da sie alle nicht
reich sind und es nicht übrig haben.
Die Schlegel hat auf ihre Söhne und auf die ganze deutsche
Gesellschaft (Künstlergesellschaft meine ich) den wohltätigsten Ein-
fluß durch ihr liebevolles und verständiges Betragen. Alle sind

———
*) Nichte des Grafen Gustav Schlabrendorff, geborene Gräfin Kalckreuth.

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