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[   Band 4 Brief 195:    Humboldt an Caroline    Wien, 21. September 1814   ]


Hedemann kommt mit dem Prinzen hierher, und so sehr gern
ich ihn auch sehe, ist es mir doch diesmal gar nicht lieb. Denn
er kann nun nicht zu Dir nach Burgörner gehen und kommt leicht
auch erst in Berlin an, wenn Du schon ein paar Wochen dort
bist. Überdies setzt mich das Quartier für den Prinzen in ent-
setzliche Verlegenheit. Man will ihn in die Burg logieren, allein
ihm Zimmer geben, die nahe an denen des Königs sind, weshalb
ich anstehe, ob er sie wird bewohnen wollen, da leicht beide sich
gegenseitig genieren. Ein anderer Raum ist in der Burg, in der
ein Kaiser, eine Kaiserin, vier Könige, eine Königin und zwei
Großfürstinnen außer dem Kronprinzen von Bayern wohnen
sollen, jetzt nicht mehr. In der Stadt aber eine irgend anständige
Wohnung zu finden, ist fast durchaus unmöglich.
Die Geschäfte sind, seitdem der Kanzler, Nesselrode *) und
Castlereagh **) hier sind, angegangen, und ich werde sehr dabei aus-
gezeichnet. Ich bin der einzige, der außer den vier Kabinetts-
ministern jetzt bei den Konferenzen zugegen ist. Ob ich darum
viel Einfluß haben werde, will ich doch nicht behaupten, Du weißt,
ich bin nicht ruhmredig. Die Stadt Bremen hat mir neulich ge-
schrieben, daß mein Name unter den Bürgern der Hansestädte im
Blick auf Vergangenheit und Zukunft oft und gern gehört und
genannt werde. Diese Briefe der Städte sind wie in den
Ritterromanen.
Auch der Großherzog von Hessen hat mir geschrieben.
Ein besonderer Trost bin ich den Abgeordneten der kleinen Höfe,
weil ich, wenn es mir auch manchmal viel Mühe kostet, es einzu-
richten, sie immer ausführlich spreche und zutraulich behandle. Es
kommen dabei die närrischsten Szenen vor.

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*) Vgl. S. 29.
**) Vgl. S. 214.

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